Frau Elisabeth W. ist 78 Jahre alt, ihr Ehemann 80 Jahre alt. Herr W. hatte eine Führungsposition inne, ist sportlich, kulturell interessiert, gebildet, sozial engagiert und vernetzt. Seit dem Jahr 2009 besteht die Diagnose Alzheimer. Seine Frau kümmert sich liebevoll um ihn.
Wie hat sich die Demenz-Erkrankung bei Ihrem Mann geäußert?
Vor sechs Jahren ist mir erstmals eine Veränderung aufgefallen, mein Mann war anders. Er hat Dinge erzählt, die so nicht ganz stimmen konnten. Er hat plötzlich wahllos Dinge gekauft und bestellt, die wir nicht gebraucht haben. Vor allem massenweise Bücher. Mein Mann war Zeit seines Lebens ein hervorragender Rechner, plötzlich wusste er nicht mehr ob 20 Euro oder 50 Euro mehr wert sind. Er hat zwei Socken auf einen Fuß angezogen oder zwei Hosen übereinander.
Wie war das für Sie?
Meine Schwiegermutter war vor vielen Jahren an Demenz erkrankt, Daher hatte ich bald die Vermutung, dass nun auch mein Mann betroffen ist. Es war am Anfang hart, ich wollte es nicht wirklich wahrhaben. Ich bin auch schon mal zornig oder ungeduldig geworden, weil plötzlich alles so langsam gegangen ist.
Wie war das für Ihren Mann?
Er muss wohl geahnt haben, dass er von Demenz betroffen ist, er hat das ja bei seiner Mutter miterlebt. Mir gegenüber hat er die Krankheit nicht erwähnt. Aussagen wie „Ich verblöde langsam oder ich vergesse so viel“ kamen aber schon.
Inwieweit hat sich Ihr Leben durch die Krankheit geändert?
Eigentlich ändert sich mit der Krankheit das ganze Leben. Am Anfang war ich zeitweise völlig erschöpft und fertig. Ich bin manchmal sechsmal in der Nacht aufgestanden, um meinem Mann beim Gang auf die Toilette zu helfen, bzw. um passierte „Malheurs“ wieder zu beseitigen. Seit eineinhalb Jahren besucht mein Mann nun dreimal wöchentlich ein Senioren-Tageszentrum. Das hilft mir wieder zur Ruhe zu kommen. Ich hab öfter gebetet: „Lieber Gott, lass mich diese Aufgabe erfüllen.“
Wie war die Reaktion Ihrer Umwelt auf die Krankheit Ihres Mannes?
Unsere Familien- und Bekanntenkreis hat sehr gut auf die Krankheit reagiert. Alle wissen Bescheid, so kann ich meinen Mann auch immer noch gut zu Treffen mit Bekannten oder in gewohnte Runden mitnehmen. Alle haben die Veränderung gut akzeptiert und sind sehr lieb zu ihm.
Welche Lösungen haben Sie für sich gefunden?
Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen. Die Betreuung außer Haus und stundenweise Unterstützung zu Hause schaffen mir kleine Freiräume und helfen mir, die Verantwortung kurzfristig abzugeben. Dann gehe ich einkaufen oder gönne mit einen Spaziergang oder einen Kaffeehausbesuch mit einer Freundin. Andere Freizeitaktivitäten gehen gar nicht mehr wie z.B. unsere geliebten Konzertbesuche. Da muss ich jetzt alleine hin. Ich tausche mich mit anderen Betroffenen aus, besuche Selbsthilfegruppen und habe an der Caritas Schulung für pflegende Angehörige teilgenommen.
Wie haben Sie die Schulung für pflegende Angehörige erlebt? Was hat es Ihnen gebracht?
In der Schulung „Respekt“ für pflegende Angehörige waren wir sechs Teilnehmer/-innen. Ein Teil pflegte einen Elternteil, einige die Ehepartner. Wir wurden von Maria Mayrhofer über das Krankheitsbild informiert und bekamen gute Tipps für den Umgang mit demenzkranken Menschen. Mir wurde klar, dass ich den Zustand der ständigen Anspannung hin und wieder unterbrechen muss. Ich hätte gerne noch weiter gemacht und ein paar praktische Handgriffe für den Pflegealltag gelernt.
Was würden Sie Menschen raten, die mit einer Demenz-Erkrankung in der Familie konfrontiert sind?
Die Situation so gut als möglich zu akzeptieren und nicht mit dem Schicksal zu hadern. Man muss in die Sache hineinwachsen. Ich sage mir oft „es ist halt jetzt so“ und versuche positiv zu sein. Wir sind 57 Jahre lang verheiratet, wir haben viel Schönes gemeinsam erlebt. Das Wichtigste ist, dass die Liebe bleibt, auch in der Pflege. Ich liebe meinen Mann genauso wie früher und er mich - das spüre ich. Geduld muss man haben und flexibel sein - es kommt immer wieder Neues auf einen zu. Da ist es gut, für sich kreative Lösungen zu finden. Ich singe z.B. mit meinem Mann gemeinsam bei der Körperpflege, dann geht es besser: Das genießen was noch geht, realistisch sein, Geduld haben.
Wie können wir Menschen, die an Demenz erkrankt sind gegenüber „Haltung zeigen“?
Es sollte selbstverständlich sein, dass an Demenz erkrankte Menschen für voll genommen werden und ihre Wünsche und Bedürfnisse ernst genommen werden. Auch wenn geistige und körperliche Veränderungen dem Erkrankten zusetzen, die Seele bleibt meiner Erfahrung nach heil erhalten. Wesensveränderungen, die mit der Krankheit einhergehen, können durch Medikamente gut ausgeglichen werden. Indem wir aufmerksam und würdevoll im Umgang bleiben, denn Demenzkranke bekommen ganz sicher alles mit. Die besten Begleiter sind Diplomatie und Liebe.