Caritas: Papier ist geduldig. Die Pflege ist es nicht. Die Regierung muss jetzt liefern.

Bei einer Pressekonferenz im Wiener Caritas Pflegewohnhaus Schönbrunn pochen Caritas Präsident Michael Landau, Generalsekretärin Anna Parr und Gf. Caritasdirektor Klaus Schwertner erneut auf die Umsetzung der Pflegereform. Ein großer Stapel Papier mit Ausschnitten aus Presseaussendungen, Regierungsprogrammen und Strategieberichten zum Thema Pflege von diversen Bundesregierungen, Parteizentralen und Verantwortlichen in den Ländern stellt symbolisch die Ankündigungen und Versprechungen über die Umsetzung einer Pflegereform in den letzten 15 Jahren dar. Landau: „Nach Jahren der Ankündigungen, nach eineinhalb Jahren Pandemie und im Angesicht des sich zuspitzenden Pflegenotstands sagen wir heute: Papier ist geduldig. Aber die Pflege ist es nicht. Der Pflegenotstand ist längst Realität – im Alltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Betreiber von Einrichtungen und nicht zuletzt im Alltag der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen.“


Praxis-Check zeigt: Pflegenotstand ist längst Realität

Gemeinsam mit Mitarbeiter*innen aus der Praxis blicken Landau, Parr und Schwertner auf den Berufsalltag der Pflegefachkräfte, in dem der Pflegenotstand längst Realität ist. Barbara Poier, die Direktorin der Pflegeschulen der Caritas Steiermark berichtet von fehlenden Ausbildungsmöglichkeiten sowie bestehenden Hürden, sich für den Weg in den Pflegeberuf zu entscheiden. Barbara Riegler, eine Pflegefachkraft aus Niederösterreich erzählt außerdem vom Zusatzaufwand der Mitarbeiter*innen durch die Pandemie und den auch schon vor der Pandemie bestehenden enormen Belastungen im Arbeitsalltag.

Der Personalengpass wirke sich letztlich nicht nur auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege aus, sondern auch auf die pflegenden Angehörigen und die pflegebedürftigen Menschen selbst, sagt Generalsekretärin Anna Parr: „Mehrere hundert offene Stellen in den Pflege-Einrichtungen der Caritas können aktuell nicht besetzt werden. In Niederösterreich mussten in der mobilen Pflege deshalb 2020 an die tausend Neu-Klient*innen abgewiesen werden – die jedoch dringend Pflege und Betreuung bräuchten. In Kärnten kam es in einer stationären Einrichtung bereits zum Aufnahmestopp von Bewohner*innen. Die Betten wären da, können aber nicht vergeben werden, weil das Personal dafür fehlt und Abstriche in der Qualität keine Option sind.“ Gf. Caritasdirektor Klaus Schwertner fügt hinzu: „Dass es bis 2030 zusätzlich 100.000 Pflegekräfte braucht, ist bekannt. Und aus unseren Pflegewohnhäusern können wir ergänzen: Rund ein Fünftel der heute aktiven Pflege- und Betreuungskräfte gehen spätestens in zehn Jahren in Pension. Außerdem ist davon auszugehen, dass der derzeit wichtigste Pflegedienst Österreichs – die pflegenden Angehörigen – in den nächsten Jahren rückgängig sein wird. Allein ein Rückgang von 10% bei den pflegenden Angehörigen bedeutet, dass nach Schätzungen zusätzliche 20.000 Pflege- und Betreuungskräfte gebraucht werden.“


Personaloffensive ist wichtigster Hebel zur Bekämpfung des Pflegenotstands

„Uns läuft die Zeit davon“, warnen Landau, Parr und Schwertner und appellieren für die sofortige Umsetzung der angekündigten Personaloffensive. Parr: „Es braucht ein umfassendes Bündel an Maßnahmen, und zwar jetzt. Zum einen muss der Einstieg in den Pflegeberuf durch unterschiedlichste Ausbildungswege möglich sein – für junge Menschen, berufsbegleitend und auch für potentielle Quereinsteiger*innen. Und zum anderen müssen Ausbildungskosten abgeschafft werden. Was für angehende Polizist*innen längst Normalität ist, muss auch für die Pflegekräfte von morgen möglich sein: Ein Ende von Schulgeld und Studiengebühren und stattdessen finanzielle Unterstützung bei der Deckung der Lebenserhaltungskosten.“ Außerdem wäre es auch wichtig, den Berufseinstieg für ausländisches Personal zu erleichtern, so Parr.

Schwertner ergänzt, dass es auch darum gehen muss, attraktivere Rahmenbedingungen sicherzustellen: „Für Pflegekräfte darf nicht länger das Motto gelten: Applaus ja, Reform nein. Es muss sehr viel attraktiver werden, sich für den Pflegeberuf zu entscheiden. Dazu gehören auch höhere Gehälter, die mittels öffentlicher Zuschläge aber eben auch nur von der öffentlichen Hand und im Zuge einer politischen Diskussion durchzusetzen sind. Aber auch verbindliche Dienstpläne, längere Freizeiten und, dass sich Mitarbeiter*innen wirklich um die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen annehmen können, sind essentiell. Diese Zeiten müssen in der Personalberechnung – in den Personalschlüsseln – berücksichtigt werden und österreichweit verbindlich für alle gelten.“


„Die Regierung muss jetzt liefern.“

Caritas Präsident Landau: „Unser Pflegesystem wird bald selbst zum Pflegenotfall werden, wenn uns die Reform nicht rasch gelingt. Und gerade bei diesem Punkt ist klar, dass die Verantwortung zur politischen Umsetzung nicht alleine beim Gesundheits- und Sozialminister liegt. Es braucht hier die gemeinsame Anstrengung des Gesundheits-, des Arbeits-, des Bildungs- und natürlich auch des Finanzministeriums. Gleichzeitig müssen neben der Bundesregierung auch die Länder ihre Verantwortung wahrnehmen.“ Und auch die Einbindung der wichtigsten Stakeholder sei notwendig. In diesem Zusammenhang erinnert Landau an das breit getragene Anliegen von u.a. Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotem Kreuz, und Volkshilfe: „Ein Pflegegipfel, bei dem gemeinsam Priorisierungen vorgenommen, Arbeitsaufträge und ein Stufenplan zur Umsetzung vereinbart werden – das wäre ein Weg. Als Caritas sind wir jedenfalls bereit, einen Beitrag zu leisten.“


Caritas startet Pflege-Kampagne

Einen Beitrag zur Attraktivierung des Pflegeberufs will die Caritas auch mit ihrer neuen Kampagne leisten. Im Rahmen dieser macht sie in den nächsten Wochen und Monaten auf die vielfältigen Job-Möglichkeiten in der Pflege aufmerksam. Interessierte können sich beispielsweise an Info-Tagen auf Social Media sowie in Job Zoom Calls über die unterschiedlichen Berufsangebote in der Pflege informieren.